Ein neues Interview unserer Reihe wartet auf dich:
#FragdenProfi !
In dieser Episode sprechen Svea Kallenberg und Nick Buchwald - angehender Physiotherapeut - über die Physiotherapie Ausbildung.
Wie läuft die Ausbildung ab? Was hat sich geändert seit dem Schulgeld-Wegfall? Und was beschäftigt die Auszubildenden in der Zukunft?
Schau dir hier das ganze Interview an!
Wie läuft die Physiotherapie Ausbildung ab?
Svea:
Hi zusammen! Ich bin Svea von Praxis-Profi und da das Thema Ausbildung in der Heilmittelbranche in letzter Zeit mit vielen Neuigkeiten überrascht hat, wollten wir mit jemanden über diese Thematik sprechen, der uns auch Hintergrundinformationen geben kann. Und deswegen haben wir uns heute Nick Buchwald eingeladen, er ist angehender Physiotherapeut. Nick, erzähl uns doch mal ein bisschen was über dich und warum du dich für den Beruf des Physiotherapeuten entschieden hast?
Nick:
Hallo erstmal – ich bin Nick Buchwald, 22 Jahre alt und habe 2017 mein Abitur gemacht. Danach habe ich erstmal angefangen zu studieren und habe dann aber auch relativ schnell gemerkt, das ist nicht das, was ich möchte. Dann habe ich drüber nachgedacht, was könnte ich machen? Und früher in der Schulzeit wollte ich schon immer gerne Physiotherapeut werden, da man selbst Erfahrung bei Physiotherapeuten gemacht hat. Aber auch einfach, weil ich selber sportlich bin und mich generell medizinisch interessiere. Dann habe ich mich Anfang 2019 dazu entschieden, habe mich bei mehreren Schulen beworben und dann direkt im April 2019 schon bei der medicoreha in Essen-Kettwig angefangen. Seitdem bin ich jetzt da, die Ausbildung geht jetzt schon seit zwei Jahren, also in einem Jahr bin ich dann fertig.
Svea:
Kannst du uns einen kurzen Einblick geben, wie die Physiotherapie Ausbildung abläuft?
Nick:
Die Ausbildung geht insgesamt über drei Jahre, das erste Jahr ist bei uns dann nur in der Schule, da werden erstmal die theoretischen Grundlagen geschaffen. Man hat aber auch dabei schon viel Praxisunterricht. Man arbeitet untereinander, unter den Schülern und lernt so auch schon ganz viel. Dann nach dem ersten Jahr absolvieren wir ein halbes Jahr verschiedene Praktika, da gibt es Kooperationen über unsere Schule. Dort ist dann alles dabei von Krankenhaus über Reha, bis hin zu einer Praxis und da hat man dann verschiedene Fachbereiche, die dadurch abgedeckt werden. Nach dem halben Jahr geht es wieder zurück in die Schule für neun Monate, da werden zum Teil Sachen vertieft, zum Teil kommen auch neue Sachen dazu. Anschließend hat man nach der Zeit nochmal sechs Monate lang vier verschiedene Praktika. Da geht es auch wieder in verschiedene Fachbereiche, sodass man wirklich auch alle Bereiche abdeckt und auch alles kennenlernt. Das ist ziemlich interessant und nach dem halben Jahr sind dann letztendlich nur noch drei Monate übrig. In der Zeit werden wir auf das Staatsexamen vorbereitet und im letzten Monat hat man dann fast den ganzen Monat die Prüfungen von theoretisch, praktisch, mündlich und schriftlich natürlich.
Der Wegfall des Schulgeldes + neue Möglichkeiten
Svea:
Seit dem 1.1. dieses Jahres ist die Ausbildung in Gesundheitsberufen – dazu zählen auch die Physiotherapie, Logopädie, Podologie und auch die Ergotherapie – auch in NRW kostenlos. Das wurde in anderen Bundesländern ebenfalls schon umgesetzt. Was war dein erster Gedanke, als du davon gehört hast und ist das für dich überhaupt noch relevant, weil du ja auch schon in deiner Ausbildung fortgeschritten bist?
Nick:
Also der erste Gedanke war natürlich sehr positiv. Über so eine Nachricht, da freut man sich natürlich und meiner Meinung nach, ist das auch schon längst überfällig gewesen. Kurz bevor ich meine Ausbildung angefangen habe, wurde schon die erste Förderung eingeführt. Damals waren es 70%, das heißt von den eigentlichen 400 Euro mussten wir nur noch 120 Euro im Monat zahlen – was ja auch schon mal ein Fortschritt ist. Anfang des Jahres kam jetzt die Nachricht, dass das dann auch ab dem 1.1. rückwirkend gilt, also auch das Geld zurückgezahlt wird und wir dann auch nicht mehr bezahlen müssen. Das ist für mich zu mindestens für das eine Jahr auch relevant und da bin ich natürlich sehr glücklich drüber.
Svea:
Ja, das glaube ich. Offensichtlich waren ja die Ausbildungskosten für dich kein Grund, sich nicht für die Physiotherapie Ausbildung zu entscheiden. Hast du dir im Vorfeld Gedanken darüber gemacht und wie hast du die Ausbildung finanziert, denn du kannst ja zwischenzeitlich auch nicht arbeiten gehen, oder?
Nick:
Also ich hatte das Glück, dass meine Eltern die Kosten übernommen haben. Da bin ich auch sehr dankbar für, aber ich habe natürlich auch von vornherein mit meinen Eltern offen darüber gesprochen und gesagt, dass ich das unbedingt machen möchte. Meine Eltern wollten mich dabei dann auch unterstützen. Trotzdem bekomme ich auch bei vielen aus meinem Kurs mit, die sich die Ausbildung selbst finanzieren müssen. Die gehen manchmal drei von vier Wochenenden im Monat zusätzlich noch arbeiten. Da bleibt natürlich einfach nicht mehr viel Freizeit, deswegen habe ich da Glück gehabt. Viele andere müssen aber auch regelmäßig nebenbei arbeiten.
Svea:
Wie schätzt du denn durch den Wegfall des Schulgeldes, was ja jetzt nicht mehr anfällt, die Beliebtheit des Jobs ein? Also glaubst du, dass sich jetzt mehr junge Leute dafür interessieren, diese Ausbildung oder das Studium zu machen?
Nick:
Das kann ich mir schon sehr gut vorstellen! Also in vielen Gesprächen, wenn man so erzählt: “Ich hab eine Ausbildung zum Physiotherapeuten angefangen.”, sagen viele erstmal: “Wow, das ist echt ein toller Job!” und “Hab ich auch schon mal drüber nachgedacht.” Aber das erste, was dann immer kommt: “Ja, aber die Ausbildung ist ja so teuer!” Und ich denke, wenn dieses Hindernis gerade jetzt wegfällt für viele, kann ich mir gut vorstellen, dass sich viele dann für den Beruf entscheiden.
Zukunftsgedanken: Angestellt oder Selbstständigkeit?
Svea:
Du hast es gerade schon kurz angesprochen: Der Fachkräftemangel ist in der Branche schon immer ein Riesenthema gewesen und das haben wir auch in unserem Blogartikel bereits angesprochen. Hast du denn schon eine Vorstellung, wie es für dich nach der Physiotherapie Ausbildung weitergeht? Überlegst du dich selbstständig zu machen? Wie sieht das bei deinen Mitschülern aus, hast du da vielleicht auch schon eine Einschätzung?
Nick:
Also grundsätzlich kann man sagen: In jedem meiner praktischen Einsätze, wurde danach die Bereitschaft schon gezeigt: “Wenn du fertig bist, könntest du ja anfangen.” Das zeigt ja einfach schon, wie viele Leute gesucht werden. Ich persönlich sehe mich eher in einer Praxis als in einem Krankenhaus, aber das ist ja auch Geschmackssache. Ich denke, die Chancen schnell einen Job zu bekommen sind gut und eine Selbstständigkeit würde ich jetzt erstmal an sich nicht ausschließen, das ist aber noch ziemlich weit weg würde ich sagen. Man muss erstmal den Praxiseinstieg richtig meistern, sich noch weiter fortbilden. Man muss alleine schon extrem viele Fortbildungen machen, um erstmal das Abrechnen zu lernen.
Auch in meinem Kurs gibt es mehrere, mit denen man da mal drüber spricht und die Bereitschaft ist schon da. Aber letztendlich ist die Selbstständigkeit, vor allem wirtschaftlich, halt auch das, was man dann auch erreichen möchte. Du wirst jetzt als normaler Physio kein reicher Mann und auch keine reiche Frau werden, deswegen denken da viele drüber nach. Aber der Schritt dann wirklich letztendlich in die Selbstständigkeit, ist eben ein großer Schritt. Da muss man sich bewusst sein, ob man dem auch dann wirklich standhält. Im Kurs haben wir schon mal überlegt, vielleicht zu zweit oder zu dritt eine Praxis zu übernehmen, was dann halt ein wenig die Last von einem alleine nehmen würde. Aber die Praxen sind voll und jede Praxis wird seine Patienten bekommen, deswegen denk ich, dass das auf jeden Fall eine Möglichkeit ist, später dann in die Selbstständigkeit zu gehen.
Selbstständigkeit: Chancen + Risiken
Svea:
Du hast es grad schon ein bisschen angedeutet. Was reizt dich denn so an der Selbstständigkeit und wo siehst du eventuell denn auch die Probleme in der Umsetzung?
Nick:
Es ist natürlich die Wirtschaftlichkeit, aber auch die Eigenständigkeit, dass man eigene Prinzipien entwickelt und dann auch umsetzt, dass man sich jetzt nicht immer an andere halten muss. Dass man dann evidenzbasiert und auch klientenzentriert arbeitet. Man dann auch mit einem jungen Team schafft, das Bild des Physiotherapeuten in der Gesellschaft ein bisschen zu verändern - weg von dem, der nur massiert, der viel Hands on arbeitet, hinzu einem, der eher wie ein Coach arbeitet, dass man wirklich dem Patienten zu einem besseren und gesünderen Leben hilft und über Gesundheit coacht. Dass sich die Patienten dann letztendlich selber darüber bewusster werden, wie sie gesünder leben und dann selbstständig schon daran arbeiten können. Dass wir nicht alleine nur als die großen Heilerbringer arbeiten müssen, sondern dass die Patienten wissen, letztendlich gelingt das nur zusammen in einem Setting. Die Zusammenarbeit zwischen Patient und Therapeut - dass beide zusammen an den Beschwerden arbeiten müssen - nur so hat man letztendlich dann auch einen Erfolg in der Therapie.
Svea:
Wir von Praxis-Profi bieten ja vor allem Praxisinhabern Content und Lösungsansätze an, um den Praxisalltag entspannter und einfacher zu gestalten. Wenn du dich aber jetzt selbstständig machen würdest, würdest du dir wünschen, dass es auch mehr Unterstützung und Lösungsansätze für Therapeuten in der Phase zur Selbstständigkeit geben würde?
Nick:
Grundsätzlich habe ich mich noch nicht viel mit dem Einstieg in die Selbstständigkeit beschäftigt, weil es halt für mich noch relativ weit weg ist. Deswegen kann ich nicht genau sagen, wie viele Angebote es da schon gibt. Aber grundsätzlich werden viele Sachen zur Selbstständigkeit in der Ausbildung nicht wirklich behandelt. Also gerade die Grundlagen BWL, das wird glaube ich dann mehr in dem berufsbegleitenden Studium behandelt, aber halt nicht in der reinen Ausbildung. Generell die ganzen Dinge mit der Abrechnung, wie das alles funktioniert, wie das abläuft: Das hat man in einem kurzen Block im Unterricht, aber das ist halt auch noch weit weg. Aber das wird man denk ich dann auch im Praxisalltag, wenn man wirklich auch arbeitet schon viel mehr mitbekommen.
Svea:
Also Learning by doing eher!
Nick:
Genau und ja, letztendlich wird man sich dann auch trotzdem für den Einstieg noch informieren müssen und da sind dann Plattformen wie eure hilfreich, dass man sich da informieren und auch Hilfe suchen kann.
Svea:
Absolut!
Erstmal vielen Dank Nick, für das aufschlussreiche Interview und dass du dir die Zeit genommen hast. Viel Erfolg weiterhin in deiner Ausbildung!
Und an euch: Tauscht euch gerne mit uns über das Thema “Ausbildung in der Heilmittelbranche” aus! Über alle Möglichkeiten, die Erfahrung, die ihr bisher gemacht habt und auch die Hindernisse, die es dort gibt. Teilt uns gerne eure Gedanken mit und falls ihr weitere Themenwünsche oder Wünsche zu Interview-Partnern habt, dann lasst es uns gerne wissen – gerne in einem Kommentar.
Vielen Dank fürs Zuschauen und bis zum nächsten Mal!
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