17. Dezember 2021

Frag den Profi – Eigene Praxis und Social Media Akteur? Der Physiopath

Ein neues Interview unserer Reihe wartet auf dich: #FragdenProfi

In dieser Episode sprechen Joyce Regnier von Praxis-Profi und Freddy Newnham – auch bekannt als "derphysiopath" – über den Spagat zwischen seiner eigenen Physiotherapiepraxis und die Rolle auf Social Media, die er sich aufgebaut hat.

Was auf seinen Social Media Kanälen genau passiert und wie er die Entwicklung der Physiotherapie-Branche sieht, erfährst du im #FragdenProfi Interview.

Wer ist @derphysiopath?

Joyce: 

Hallo und herzlich Willkommen zu unserem Format #FragdenProfi. Für das heutige Interview sprechen wir mit Freddy Newnham, ebenfalls auf Social Media bekannt als der Physiopath - mit mittlerweile über 520.000 Abos auf Tik Tok und aktuell über 15.000 Followern auf Instagram, konnte er sich so einen Namen in der Branche machen. Wie sein Weg genau war, was er abseits von Social Media noch macht und wie er die Physiotherapie-Branche einschätzt, besprechen wir heute.

Freddy, ich würde sagen: Stell dich doch gerne einmal vor! 

Freddy: 

Das ist schön und ich fühle mich auch sehr geehrt, dass ich jetzt ein Interview mit euch führen darf. Ich bin jetzt seit 21 Jahren Physiotherapeut. Ich habe im Jahr 2000 mein Examen zum Physiotherapeuten geschrieben und habe mich dann darin verloren, weil es einfach meine absolute Leidenschaft seit 21 Jahren ist. Genau deshalb habe ich wahrscheinlich auch meine eigene Philosophie entwickelt, wo ich dann nach 14 Jahren gemerkt habe, ich muss meine eigene Praxis aufmachen, weil ich nicht mit allen Abläufen in der Physiotherapie immer ganz einverstanden war - ich brauchte und wollte einfach mehr Zeit mit dem Patienten verbringen. Deshalb habe ich meine eigene Praxis aufgemacht und habe jetzt mit 42 Jahren nochmal den Weg zu Social Media gefunden.  

Wie das kam besprechen wir ja noch, aber das war eigentlich gar nicht so geplant, weil ich eigentlich immer gedacht habe: “Mensch, mit 42 gehst du jetzt noch mal in diese Social Media Sache, das ist eigentlich nicht so optimal. Also du hast zwei Kinder, das muss jetzt nicht unbedingt sein.” Aber irgendwie scheint der Drang und der Wissensdurst draußen einfach unglaublich groß zu sein für solche Dinge. Mittlerweile sind das ja sogenannte “Healthfluencer” oder “Physiofluencer” oder wie auch immer man sie bezeichnet. Ich sehe mich ja selbst gar nicht so. Influencer heißt für mich immer: Okay, man ist da reingerutscht und verdient dann damit sein Geld. Ich kann nur jedem raten: Macht erstmal was, wo ihr auch Spaß dran habt und eine gute Ausbildung schafft und daraus könnt ihr ja etwas entwickeln, woraus ihr euch dann auch Social Media-mäßig etablieren könnt. Aber es ist dann so gekommen, dass ein guter Freund von mir meinte, du kannst das so einfach und gut erklären, deshalb mach es doch und dann habe ich einfach angefangen. Mittlerweile bin ich fast ein Jahr auf Social Media unterwegs.

Sein Weg auf Social Media

Joyce: 

Wie du ja gerade gesagt hast, du hast ja noch relativ frisch damit gestartet. Wie bist du da genau gestartet und wie hat sich überhaupt das Ganze so weiterentwickelt? Wie du ja gerade selber auch schon gesagt hast, du hast mit der ganzen Sache gar nicht gerechnet, dass es so was Großes wird. Aber was hast du denn im Vornhinein darüber gedacht und was waren quasi deine Erwartungen an dich selbst? 

Freddy: 

Also eigentlich bin ich ein absoluter Computer-Monk, also was so Computer angeht, bin ich gar nicht der Typ, der das alles so gehändelt kriegt. Deshalb brauchte ich jemanden oder mittlerweile sind es zwei Leute, die mir da einfach ein wenig helfen und mittlerweile komme ich ganz gut damit klar so nach einem Jahr. Ich habe nicht damit gerechnet, weil ich eigentlich der Meinung war, dieses Netz ist so riesengroß und es gibt so viele Influencer in diesem Web, dass ich eigentlich gar nicht der Typ dafür bin, dass jetzt im Netz zu machen. Ich habe das immer gerne 1:1 gemacht.

Ich habe auf Tik Tok angefangen und habe da so die ersten Videos hochgeladen, die sehr, sehr lustig waren am Anfang - das war so ein bisschen Stand Up Comedy, so nach dem Motto: “Mach mal irgendwas!” und dann gucken wir mal, was daraus wird. Da Tik Tok dort einen bestimmten Algorithmus hat, wie wahrscheinlich alle Social Media Kanäle, war es auch schwer am Anfang überhaupt jemanden zu erreichen. Es ist immer noch teilweise schwer, ich verstehe immer noch nicht, warum manche Videos abgehen und manche nicht. Bei manchen denke ich: “Wow, das interessiert jetzt alle!” und dann sind es irgendwie nur 10.000 Views und bei manchen ist das so blöd eigentlich und du bist plötzlich bei 1 Millionen Views. Das ist so gekommen und dann habe ich gesagt, Instagram ist irgendwie noch ein bisschen mehr, habe meine ganzen privaten Kanäle gelöscht, die ich vorher hatte und habe jetzt wirklich nur noch den Kanal “derphysiopath” und es macht unglaublich viel Spaß, aber es ist wirklich nochmal eine zweite Arbeit. Also es ist neben der Familie und der Praxis schon echt anstrengend - auch bezüglich des Contents, immer wieder was Neues zu finden, Leute zu animieren mitzumachen, Themen richtig zu gestalten und weiteres - das macht mega Spaß, aber es ist schon immer noch eine ganz schöne Arbeit. 

Joyce: 

Hast du denn an dich selber auch einen bestimmten Content-Anspruch bzw. verfolgst du dort ein gewisses Vorhaben? Welche Inhalte kommen denn besonders gut an? 

Freddy:  

Also einen Content-Anspruch habe ich eigentlich gar nicht in dem Sinne, dass ich sage, ich brauche jetzt unbedingt von dem und dem Thema etwas besonders stark fokussiertes. Es geht mir nämlich um Gesundheit und dass Menschen anfangen müssen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Die Gesellschaft verlangt einfach mittlerweile durch die Digitalisierung immer mehr, dass wir uns eigentlich weniger bewegen - aber wir sind ausgelegt auf Bewegung und diese Bewegung müssen wir auch irgendwie fördern. Das heißt, wir brauchen einen Ausgleich und ich sehe das eher so wie Duschen und Zähneputzen, es muss halt dazu gehören. 

Die Hauptprobleme oder die Hauptvideos, die wirklich super ziehen sage ich mal, sind Nacken und Rücken. Das ist einfach das Volksleiden Nr. 1 - ich glaube, mittlerweile von den 83 Millionen Einwohnern in Deutschland, haben wir knapp 38 Millionen chronische Rückenpatienten. Wenn ich mir die Jugend so anschaue - also Jugend heißt jetzt wirklich so ab 14 Jahren - die alle mit Handys schon agieren. Also man lebt ja schon damit, ich sehe es ja bei meinen Kindern selber. Aber du dir dann auch die Haltung dabei anschaust, ist es einfach echt krass, dass ich weiß, dass alle die, die jetzt nichts anfangen zu tun, später meine Patienten werden. Das ist zwar schön für mich, aber irgendwie müssen wir da angreifen und die Jugend abholen, einen Ausgleich zu schaffen. Ich glaube, das ist es auch, was ich mir als Content-Hauptthema nehme: Ich möchte schon gern die jungen Leute ansprechen, weil es genau die Zielgruppe ist, die später mehr Beschwerden haben wird, wenn sie jetzt nicht etwas tun.

Es gibt ein tolles Buch von einem meiner Mentoren – Dr. Kelly Starrett, er ist aus Amerika, der hat erst geschrieben: "Werde ein geschmeidiger Leopard" und danach hat er geschrieben: "Sitzen ist das neue Rauchen" - und es ist wirklich so, also viele Krankheiten sind mittlerweile schon auf dieses Sitzen, auf diese mindernde Bewegung zurückzuführen, weil du halt nicht nur vom Lebensapparat alles kaputt machst, sondern auch von deinen inneren Organen, wenn du in einer gewissen Form in deinem Bauch zusammengeschrumpft bist, kann das alles nicht mehr so arbeiten wie vorher und das wäre so ein Haupt-Content, den ich mir in Zukunft total wünsche. 

Digitalisierung in der Physiotherapie

Joyce:  

Glaubst du denn, dass Social Media, die allgemeine Onlinewelt und auch die Digitalisierung eine große Rolle in der Branche Physiotherapie spielen? Also jetzt auch z.B. an Praxisinhaber:innen gerichtet: Wie schätzt du dort das Level und auch die Zugänglichkeit ein? Wie ist die Bereitschaft dazu überhaupt?  

Freddy: 

Ich glaube, dass wir in Deutschland digital sehr hinterher hängen, aber das wissen wir glaube ich auch - also digital hängen wir sehr hinterher und ich glaube auch, dass wir uns durch die Datenschutzrichtlinien unglaublich viel selbst verbaut haben, was das Thema angeht. Alles muss hinterfragt werden, alles muss irgendwie in diese Datenschutzrichtlinie passen, was ja auch gut ist, ja. Der gläserne Käfig ist halt an sich meiner Meinung nach schon gar nicht mehr vorhanden, wenn jemand was machen möchte, kommt er eh ran. Ich war grad eine Woche in Dänemark und da ist das ein ganz anderes Thema, da ist Digitalisierung Standard: Es bezahlt keiner mehr mit Bargeld, es geht alles online, also selbst Termine buchen, da rufst du nicht mehr an, sondern du buchst die Termine in z.B. einem Spieleparadies nur noch online.

Jetzt kommt das so leicht rein, dass ich der Meinung bin, dass gerade die Digitalisierung in Praxen, was auch Übungen angeht, foranschreitet. Es gibt jetzt wirklich ein paar Plattformen, die auch schon Praxen supporten mit einem Programm, wo der Therapeut spezielle Übungen aus 5000 verschiedenen Übungen für den Patienten zusammenstellen kann. Ich habe es leider noch nicht, ich werde das nächste Woche angehen - ich kriege nämlich dieses Programm und ich finde es mega. Mittlerweile nehme ich immer mit den Handys der Patienten die Übungen auf, so dass diese eine Art App zu Hause haben und dann die Übung mit meiner Sprache, was ich ihnen für Informationen gebe, perfekt nachmachen können. Aber das müsste eigentlich Standard in jeder Praxis sein, weil die Therapie, wenn wir ganz ehrlich sind - und ich spreche jetzt von einer normalen Physiotherapiepraxis, wo die Patienten nicht länger als 20 bis 40 Minuten in der Praxis sind, manchmal eine Stunde aber das ist schon echt viel - das ist halt nur unterstützend, da kannst du nichts erreichen. Die Patienten müssen angewiesen werden zu Hause auch an diesen Disbalancen und Fehlhaltungen zu arbeiten und deshalb muss es in Deutschland dazu kommen, dass wir immer mehr in diese Digitalisierung auch reinrutschen und uns da auch für öffnen.

Das wird ein ganz, ganz brisantes Thema in Zukunft sein - auch 1:1 Coachings online, 1:1 Korrekturen, Therapiemöglichkeiten - also außer jetzt Hands On Behandlungen, weil das kannst du natürlich online nicht machen. Aber es geht ja schon viel über Übungen. Zum Beispiel das Thema Bandscheibenvorfall, da denken viele: "Oh, es zieht mir ins Bein und das tut mir schon lang im Knie weh, unter dem Fuß.” Aber es muss nicht unbedingt ein Bandscheibenvorfall sein, es ist meistens muskulär bedingt, einfach aufgrund unserer Haltung und selbst wenn es ein Bandscheibenvorfall ist, ist es jetzt nicht diese Dramatik, wenn nicht wirklich alles kaputt ist, wo wir jetzt Angst vor haben müssten, weil es ist alles machbar über Bewegung und über Korrekturübungen. 

Seine eigene Praxis

Joyce: 

Erzähle uns doch gerne einmal ein wenig über deinen Werdegang in der Physiotherapie und auch deinen Weg zu deiner eigenen Privatpraxis. Worin siehst du den Unterschied zwischen deiner Privatpraxis und einer “normalen Praxis”? Unterscheidet sich dein Angebot bzw. werden deine Patienten vielleicht auch umfassender betreut? 

Freddy: 

Wie ich vorhin meinte, ich habe vor 21 Jahren das Examen geschrieben, habe in vielen Praxen gearbeitet, habe auch im Fitness-Studio und in vielen Reha-Zentren gearbeitet. Ich habe also Erfahrungen gesammelt und hatte dann irgendwann diesen Anspruch auch ganzheitlich zu denken und ich glaube, das ist so dieses Hauptding: Nicht die Symptombehandlung, sondern die Ursachenforschung. Woher kommt das eigentlich, was ich für Schmerzen habe? Was muss ich tun, damit das auch ganzheitlich wegbleibt?

Natürlich gibt es Tools und ich sage auch bei mir auf meinem Account: Ja, du kannst erst mal eine Schmerzlinderung schaffen, wenn du die und die Übung machst. Aber zum Schluss ist es eigentlich die Kombination aus vielen Dingen, darum wünsche ich mir eigentlich mehr, dass die Leute darüber nachdenken: “Aha, er hat beim Kiefer über den Nacken gesprochen, er hat beim Kiefer auch über Kopfschmerzen gesprochen, er hat auch über Brustwirbelsäulenschmerzen gesprochen - also kombiniere ich das ganze mal.” Vielmehr ist mir wichtig, dass die Leute sich selber reflektieren und auch über ihren eigenen Körper nachdenken, weil du hast nur den einen und du hast doch nur eine Gesundheit neben den tausenden Krankheiten, die es gibt. Ich glaube, die ist so wichtig, weil wir einfach noch viel schaffen wollen und wir wollen ja noch ein bisschen was erleben. Darum habe ich dann irgendwann aus diesem Pool der Physiotherapie, meine Lieblingsdinge rausgefiltert, um zu schauen, was kann ich denn in meine eigene Privatpraxis, die ich dann vor fast neun Jahren mittlerweile gegründet habe, bringen?

Ich habe nicht viele Therapeuten, sondern ich habe nur zwei weitere. Man hat auch immer einen Bezug und das ist auch die erste Heilung. Wenn du einen empathischen Therapeuten hast - jetzt komme ich so ein bisschen in die Philosophie, aber vielleicht ist das bei dem Thema gar nicht schlecht, weil es ist ja auch so der Werdegang, der sich entwickelt hat bei mir. Die Philosophie zu vertreten, dass die erste Heilung schon beim Erstkontakt mit dem Therapeuten stattfindet: Ist der mir sympathisch oder ist der mir nicht sympathisch? Und wenn er mir nicht sympathisch ist, ist die Heilung auch nicht gut, weil dann gehe ich da nicht gern hin. Habe ich aber diesen Bezug zum Therapeuten und er liefert auch noch fachlich in den Therapien gute Arbeit ab, Hausaufgaben ist auch ein großer Punkt für die Patienten, dann ist das schon die erste positive Sache, die der Patient hat.

Darum habe ich diese Privatpraxis gegründet, aber übrigens auch nicht, weil ich eine PRIVAT-Praxis gründen wollte, sondern weil sich das einfach so ergeben hat. Ich wollte schon alle mit reinbringen, aber als dann die Abnahme kam, war es halt im ersten Obergeschoss und es gab keinen Fahrstuhl und damit war es nicht behindertengerecht, was bei einer Privatpraxis in Deutschland etwas anderes ist und das war dann völlig egal. Auch da gibt es Patienten mit Gehstützen und allen möglichen, die dann ins erste Obergeschoss müssen. Aber das war halt eine andere Geschichte und somit kam dann eigentlich die Privatpraxis zu Stande - was das Schöne ist, du kannst dir halt die Zeit nehmen, du kannst sicherlich auch deine eigenen Preise bestimmen für die einzelnen Dinge, die vorher unterschrieben werden müssen. Dann kann es auch dazukommen, dass die Privatpraxis halt nicht alles zahlt, sondern auch nur einen Teil - aber das sind Patienten unheimlich gewillt zu zahlen, weil gesetzlich Versicherte auch zuzahlen müssen, aber sie haben dann halt auch was davon. Ich berechne zum Beispiel nicht extra Tape oder irgendwelche Schröpfgläser - das gehört alles in meine Therapie mit rein und darum sind die Preise so, wie sie sind. Ich habe da aber auch einen Riesenzuspruch, weil es jeder auch zu tolerieren weiß, dass wenn sie dafür was kriegen, machst du es halt auch gerne. Jetzt ist das schon fast neun Jahre so und da habe ich mich auch - schätze ich mal - etabliert hier, zumindest im Norden Berlins. 

Alltag zwischen eigener Praxis + Social Media

Joyce: 

Wie sieht denn überhaupt dein typischer Alltag aus? Also wieviel Zeit verbringst du denn in deiner Praxis und wie viel Zeit verbringst du natürlich auch nebenbei auf Social Media? Welche Rolle spielen deine Social Media Accounts denn auch für dich in deinem Leben? 

Freddy: 

Also ich verbringe ganz normal einen Arbeitstag wie jeder andere auch in der Praxis, das sind so die acht Stunden, manchmal aber auch mehr. Du hast natürlich noch die administrativen Dinge zu tun. Also ich würde mal sagen, grob habe ich 50 Stunden in der Woche, wobei ich aber meine Social Media Sachen in diese Sachen integriere, was ich ganz gut hinkriege, weil ich habe halt meine Pause auch am Tag und beim Patienten fallen mir eigentlich die Übungen ein. Das heißt, manchmal denke ich mir auch plötzlich Übungen aus, wenn du den Körper verstanden hast und dann sind es manchmal auch Übungen, die es noch gar nicht gibt, aber wo ich der Meinung bin, wenn man das und das macht, kann das und das besser werden. Ich baue die Social Media Sachen komplett in meinen Alltag in der Praxis ein. Manchmal mache ich auch was vorher, wenn ich früher in die Praxis komme, habe ich dann auch manchmal eine Stunde Zeit und nehme da ein paar Sachen auf. Aber wenn ich aus der Praxis rausgehe, ist das dann auch Praxis vorbei und dann ist halt auch das primäre im Leben angesagt - die Familie, weil zwei Kinder sind auch etwas Arbeit - auf eine andere Art, aber es ist ja auch wichtig. 

Du hattest gefragt, welchen Wert oder welchen Stand Social Media hat - mittlerweile hat es schon einen großen Stand, weil es natürlich auch unglaublich gut klappt und ich noch viele Ideen im Kopf habe. Ich hätte total Lust auf ein Buch, es gibt so viele Anekdoten aus der Physiotherapie, die glaube ich total lustig auch für Stand Up Comedy wären. Also ein tolles Vorbild ist Dr. Eckart von Hirschhausen, weil er das auch integriert hat. Ich bin der Meinung, man kann Medizin, Gesundheit und auch die Physiotherapie anders rüberbringen, als dieses stupide, glatte, in weißen Kitteln - das braucht halt niemand und dann hört auch keiner zu. Aber ich glaube, wenn du das gut verpackst, kommt das rüber.

Ich habe jetzt wirklich viele Ideen und natürlich auch viele Anfragen, wie jetzt deine über Social Media, die viel Spaß machen, die natürlich auch die Reichweite vergrößern und kann mir da total viele Dinge vorstellen auch in Kooperation mit anderen. Auch Lives kommen unheimlich gut an bei den Leuten, weil sie dann auch direkt 1:1 Fragen stellen können und man beantwortet sie gleich. Man sieht auch dort, was für einen großen Stellenwert bei den Menschen dort draußen Social Media hat, auch gerade was Werbung angeht - das muss ja unglaublich viel mehr bringen über Social Media Werbung zu schalten, weil es einfach authentischer rüberkommt. Ich bin halt auch so, wie ich bin - also ich verstelle mich in keinster Weise, ich bin so mit meinen Fehlern und auch mit meinen positiven Eigenschaften.  

Das wird in Zukunft noch einen Riesenstellenwert kriegen, glaube ich schon. Momentan ist das so 70/30 oder 60/40 - also Praxis 60 Prozent, Social Media 40 Prozent. Aber ich hätte auch schon Lust, weil ich merke langsam auch meine Finger und meine Arme nach 20 Jahren und auch meinen Rücken, weil wer macht am wenigsten für den eigenen Körper? Das sind meistens die Physios selbst, weil sie einfach keine Zeit mehr für sich haben und keiner sie behandelt, vor allem weil die Praxen haben ja zu, wenn ich Feierabend habe. Das heißt: Man sucht sich dann Freunde, und Bekannte, die auch Physiotherapiepraxen haben, um dann vielleicht noch am Abend was machen zu können.  

Ich bin so ein 7-8 Jahre-Typ, wenn ich mir 7-8 Jahre was aufgebaut habe, habe ich irgendwie Lust auf was Neues und ich finde das Leben ist auch so kurz, irgendwie muss man das auch alles, was man so an Ideen, Träumen und Wünschen hat, mitnehmen und da freue ich mich einfach drauf, was alles kommen wird. Ich bin ja gar nicht so festgelegt auf eine Bahn, sondern es kommt eh alles irgendwie auf einen zu. 

Die Zukunft der Physiotherapie

Joyce: 

Das hört sich auf jeden Fall sehr spannend an. Ich bin mal gespannt, was da noch von dir kommen wird. Eigentlich sind wir jetzt auch schon bei der letzten Frage angekommen: Wie siehst du die Zukunft in der Physiotherapie? Also jetzt egal auf welchen Punkt bezogen, sondern allgemein. Was denkst du, was sich in Zukunft noch verändern wird oder welche Herausforderungen vielleicht auch für die Physiotherapie noch eine Rolle spielen werden? 

Freddy: 

Also ich glaube, dass sie eine Riesenstellenwert bekommt - was sie eh schon hat, weil wenn man sieht, wie viel Physiotherapiepraxen überall sind und die sind alle voll. Nicht zuletzt aus dem Grund, den ich vorhin schon genannt habe, weil wir uns halt immer weniger bewegen und diesen Ausgleich zu unserem Alltag nicht schaffen, weil es auch alles viel stressiger und viel schneller geworden ist. Früher hat man einen Brief geschrieben und hat dann nach sieben Tagen mal auf eine Antwort gehofft. Wenn ich heute eine E-Mail kriege, kriege ich nach drei Stunden die Frage: Haben Sie die E-Mail erhalten? Ja, habe ich, aber ich bin einfach gerade anderweitig beschäftigt. Das heißt: Der Anspruch und das Stresslevel steigen und damit werden auch diese körperlichen Gegebenheiten immer schlechter, weil Stress ausgelöst wird. Wir sind ja ein Mensch, der Kopf gehört definitiv dazu und ich muss auch gucken, dass ich Patienten abhole und das passiert in der Physiotherapie viel besser als beim Arzt, weil der Arzt hat keine Zeit mehr. Der Physiotherapeut ist so ein bisschen wie der Friseur, da können sie auch was loswerden aus ihrem alltäglichen Leben. Was ich teilweise für Geschichten höre, die darf man eigentlich keinem erzählen, weil die erzählen dir wirklich alles. 

Der Stellenwert wird definitiv noch wachsen. Wir müssen gucken, dass wir etwas an dem System der der Gesundheit ändern, weil ich finde immer noch, dass die Krankenschwestern, Krankenpfleger, Altenpfleger viel zu unterbezahlt sind und das auch ein Riesenthema ist, für das was wir leisten, weil wir stellen teilweise noch mal andere Diagnosen aufgrund unserer Erfahrung, die wir dann dem Arzt mitteilen. Entweder wirst du abgeschmettert oder du hast Ärzte, die sagen: “Hey, du hast vollkommen recht. Da muss ich noch mal drauf gucken.” Das heißt, der Physiotherapeut, wenn man den Beruf wirklich mit Leidenschaft macht, sollte noch einen etwas höheren Anspruch kriegen – nicht, dass ich mich über Ärzte stellen will, in keinster Weise. Aber ich finde vielmehr, dass die Kommunikation zwischen beiden viel besser sein müsste, weil wir auch als Physiotherapeutin für voll genommen werden müssen, weil wir haben eine große Ausbildung, das geht immerhin dreieinhalb Jahre. Dann hast du dein Examen, bist aber erst mal nichts. Du musst noch deine Fortbildung machen und ich habe jetzt mal in letzter Zeit ausgerechnet, ich habe in den 20 Jahren allein 52.840 Euro ausgegeben für Fortbildungen. Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was ein Arzt und ein Physiotherapeut die Stunde macht. Ich möchte nicht den gleichen geldlichen Betrag kriegen, weil studiert ist immer etwas anderes als eine Ausbildung zu machen. Aber ich finde, dass man in der Kompetenz schon auf Augenhöhe sein sollte und auch auf Augenhöhe reden sollte und das fehlt mir halt wirklich extrem. Da findest du nicht viele Ärzte, die auch einem Physio mal zu hören und auch mal sagen: "Ja, da muss ich auf jeden Fall nochmal drauf gucken und die OP sollte auch noch mal nach hinten geschoben werden.” Weil momentan geht alles nur noch über Kalkulation und Budgetierungen, das heißt in Krankenhäusern müssen die Zahlen stimmen, weil wir alle privatisiert haben und man sieht gerade bei einem Anbieter der Krankenhäuser, die privatisiert sind, was nämlich auch passieren kann, dann streiken nämlich die Leute und wollen nicht mehr arbeiten. Ich habe mit einem befreundeten Arzt gesprochen, der nur für die Hüfte zuständig ist. Die OP-Termine, weil er nicht weiß, wie es ist, die sind im August nächsten Jahres, weil er gerade keine Ahnung hat, wie er das mit seinen Mitarbeitern händeln soll.  

Das ist halt ein Riesenthema der Zukunft: Adäquate Bezahlung der Mitarbeiter. Auch Krankenschwestern und Altenpfleger leisten so einen immensen körperlichen und geistigen Anspruch an ihrer Arbeit, dass das in keinem Verhältnis zu dem steht, was sie kriegen und da muss sich definitiv was ändern, um in Zukunft auch den Beruf wieder attraktiver zu machen. Es kommen keine Altenpfleger mehr nach, es kommen keine Krankenschwestern mehr nach, es kommen keine Physios mehr nach, es kommen keine Masseure mehr nach - das sind alles Berufe, die ein Heilberuf sind und da haben wir definitiv ein Riesendefizit in Deutschland, wo wir unbedingt was machen müssen, um den Beruf wieder attraktiver zu gestalten.  

Aber für alle, die sich dafür entscheiden - vielleicht um das auch noch mal zum Schluss zu sagen - es ist ein mega interessanter Beruf und wer einfach diesen Körper interessant findet, soll das machen.

Ich kann vielleicht noch eine Anekdote erzählen: In der Pathologie hat es bei mir eigentlich angefangen, hört sich komisch an. Aber in der Pathologie sind die Leichen und wir standen um diese Leiche herum in der Ausbildung - sehr ethisch, das war alles wirklich ganz toll gemacht, wenn man das so sagen darf - und wir sind auch mit sehr viel Ethik an den Körper herangegangen. Aber wenn du dann diese Stücke siehst und weißt, wenn du lebst, funktioniert das alles miteinander und zwar in jeder Millisekunde und welche chemischen Austausche stattfinden. Eigentlich sehen wir das Bild andersrum, aber er dreht es im Kopf rum und wir sehen es gerade. Wie sehen Leute die Farben, was für Farben gibt es? Das sind alles so Kleinigkeiten, wenn du einen toten Menschen siehst, dann wird dir das erst bewusst, zu was wir alles in der Lage sind. Ich habe manchmal das Gefühl, wir sind in diesem Bereich der Selbstzerstörung auch teilweise. Die Genussmittel sind viel, viel wichtiger bei vielen Leuten – ja, ich trinke auch gerade Kaffee - als wirklich etwas zu tun, dass es einem besser geht. Zum Beispiel besser aussehen, du willst besser aussehen. Leute rennen zum Arzt, lassen sich die Brüste machen, lassen sich das Fett absaugen, lassen sich im Gesicht was machen.

Zum Schluss ist das, was du isst, dein Aussehen. Aber wenn ich halt den ganzen Tag nur Schlechtes zu mir nehme, dann ist es halt auch so, dass ich mich nicht wundern muss, wenn auch die Haut schneller altert. Wir sind halt so ausgelegt, wenn was oben reinkommt, dann geht das auch in die Peripherie, in die Zellen und da müssen wir schon anfangen wirklich darüber nachzudenken, was wir für unsere Gesundheit geben und das ist ein Hauptthema der nächsten Jahre. 

Joyce: 

Super spannender Ansatz und ich glaube auch noch mal Sachen, worüber man noch mal näher nachdenken sollte. Vielen Dank auf jeden Fall für das Interview und dass du dir die Zeit genommen hast uns einen Einblick zu geben in deinen Alltag als Praxisinhaber, aber eben auch als Social Media Akteur.

Die Frage ist natürlich auch: Kanntest du Freddy vielleicht schon von Tik Tok oder Instagram? Hinterlass uns doch gerne einen Kommentar.

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